Worum geht es bei der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung?

Fragen und Antworten

07.05.2021

Diese Woche hat der Bundestag der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung
zugestimmt, mit der besonders grundrechtssensible Beschränkungen
für Geimpfte und Genesene aufgehoben werden. Hier möchte ich auf die wichtigsten Fragen eingehen.

 

Was regelt die Verordnung?

Die Rechtsverordnung regelt, dass für Geimpfte und Genesene keine Kontakt – und Ausgangsbeschränkungen mehr gelten. Sie dürfen sich also mit anderen geimpften oder genesenen Personen treffen und gelten bei Treffen mit Nicht -Geimpften nicht als weitere Person i.S.d. § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG. Geimpfte und Genesene werden darüber hinaus hinsichtlich bereits bestehender Ausnahmen z.B. beim Zoo oder Friseurbesuch, mit Personen gleichgestellt, die negativ auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurden. Auch werden Geimpfte und Genesene von der Quarantänepflicht ausgenommen – es sei denn, sie hatten Kontakt zu einer Person, die mit einer in Deutschland noch nicht verbreitet auftretenden Virusvariante infiziert ist, oder reisen aus einem Virusvarianten-Gebiet ein. Darüber hinaus gilt die Begrenzung der Personenanzahl beim kontaktlosen Individualsport sowie beim Sport von Kindern unter 14 Jahren nach § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 IfSG nicht mehr für Geimpfte und Genesene.

Die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, das Abstandsgebot im öffentlichen Raum und die Einhaltung von Hygiene- und Schutzkonzepten gilt weiterhin auch für Geimpfte und Genesene, da noch immer ein Restrisiko der Übertragbarkeit besteht. Aus dem gleichen Grund bleiben auch Schutzmaßnahmen unberührt, die zur Abwendung einer Gefahr für vulnerable Gruppen erforderlich sind, z.B. das Testen beim Besuch einer Pflegeeinrichtung.

Die Länder erhalten die Befugnis, weitergehende Erleichterungen oder Ausnahmen für Geimpfte und Genesene von ihren landesrechtlichen Regelungen zu erlassen. Das betrifft insbesondere landesrechtliche Regelungen, für die die Länder bei einer Inzidenz von unter 100 die Regelungskompetenz haben.

 

Wann tritt die Verordnung in Kraft?

Da der Bundesrat der Rechtsverordnung am Freitag zugestimmt hat, tritt die Rechtsverordnung am Sonntag, den 9.5.2021, in Kraft.

 

Wer gilt als „Geimpfter“, wer gilt als „Genesener“?

Als Geimpfte im Sinne der Verordnung gelten Personen ohne Symptome, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Nachweises sind hinsichtlich des Vorliegens einer vollständigen Schutzimpfung gegen das Coronavirus, wenn die zugrunde liegende vollständige Schutzimpfung mit einem der in Deutschland gelisteten Impfstoffe erfolgt ist und seit der letzten erforderlichen Einzelimpfung mindestens 14 Tage vergangen sind. Wenn eine Person bereits an COVID-19 erkrankt ist, gilt sie als geimpfte Person, wenn sie eine Impfstoffdosis verabreicht bekommen hat. Als genesen gilt, wer keine Symptome hat und mithilfe eines PCR-Testergebnisses nachweisen kann, dass eine Infektion mit dem Coronavirus mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt.

 

Kommt es durch die Verordnung zu einer mittelbaren Impfpflicht?

Nein. Als SPD-Bundestagsfraktion nehmen wir unser Versprechen sehr ernst, keine Impfpflicht einzuführen – weder unmittelbar noch mittelbar. Bei der derzeit laufenden Impfkampagne mit neuen Impfstoffen, die noch nicht lange auf dem Markt sind, ist Freiwilligkeit der wichtigste Schritt zum Erfolg. Nur mit dem Vertrauen der Menschen werden wir gemeinsam aus der Pandemie kommen – eine Impfpflicht wäre hier kontraproduktiv.

Aus verfassungsrechtlicher Perspektive steht aber fest: Sobald sicher ist, dass von einer Person keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, entfällt ein wesentlicher Rechtfertigungsgrund für die Grundrechtsbeschränkungen, die mit den Corona-Schutzmaßnahmen einhergehen. Und nur, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, sind Grundrechtsbeschränkungen überhaupt begründbar. Ziel der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist der Schutz des Lebens und der Gesundheit. Dieses Ziel ergibt sich auch aus Art. 2 Abs. 2 GG. Kann aber eine Person aufgrund ihrer Schutzimpfung oder einer überstandenen Infektion das Virus nicht mehr übertragen, so besteht weder ein Risiko für ihre eigene Gesundheit, noch stellt der Geimpfte eine Ansteckungsgefahr für andere Personen dar. Nachdem das Robert-Koch-Institut Anfang April festgestellt hat, dass nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen das Risiko einer Virusübertragung durch Impfungen in dem Maß reduziert ist, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen, müssen die Grundrechtsbeschränkungen für Geimpfte und Genesene nun schrittweise – je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens – nach den Empfehlungen der Wissenschaft aufgehoben werden. Wenn dabei Bürgerinnen und Bürger die Lockerungen für Geimpfte als Anreiz sehen, sich impfen zu lassen, dann ist das nur zu begrüßen.

Die Aufhebung der Einschränkungen für Geimpfte und Genesene bedeutet allerdings nicht, dass die Beschränkungen für alle anderen so lange aufrechterhalten werden, bis auch die letzte Person in Deutschland geimpft ist. Dieses wäre auch gar nicht möglich, da es neben der freiwilligen Ablehnung der Impfung beispielsweise auch Personen gibt, welche aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können oder für deren Altersgruppe noch keine Impfstoffe zugelassen sind. Vielmehr wird die allgemein steigende Impfquote in Deutschland dazu führen, dass die Infektionszahlen sich weiter reduzieren werden und Schutzmaßnahmen Schritt für Schritt für alle gelockert werden können.

Dann werden wir als SPD-Bundestagsfraktion genau darauf achten, dass es zu keiner Diskriminierung von Ungeimpften kommt. Ungeimpfte müssen – auch wenn bereits alle ein Impfangebot erhalten haben – jederzeit einen Zugang zu Einrichtungen der Daseinsvorsoge haben. Ihnen darf also beispielsweise der Zutritt zu Supermärkten ebenso wenig verwehrt werden wie die Behandlung durch einen Arzt oder die Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst, nur weil sie nicht geimpft sind. Darauf werden wir als SPD achten.

 

Stellt die Aufhebung der Kontaktbeschränkungen nur für Geimpfte nicht eine Diskriminierung der Menschen dar, die sich nicht impfen lassen wollen?

Nein. Ihnen gegenüber gelten momentan die gleichen Maßnahmen wie auch gegenüber Menschen, die sich impfen lassen wollen aber noch keine Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Dass Geimpfte schon wieder mehr dürfen als Nicht-Geimpfte mag im ersten Moment „ungerecht“ wirken, ist aber verfassungsrechtlich notwendig: Von Geimpften/Getesteten geht nachweisbar kaum noch ein Infektionsrisiko aus, sie tragen also nicht zum Pandemiegeschehen bei. Sie können sich weder selbst, noch andere anstecken. Besonders grundrechtsintensive Eingriffe sind ihnen gegenüber darum nicht mehr zu rechtfertigen, weil sie überhaupt nichts bringen, um andere Menschen vor einer Ansteckung zu schützen. Sie wären nicht mehr verhältnismäßig. Von Nicht-Geimpften hingegen geht eine potenzielle Gefahr aus, da sie sich und andere weiterhin anstecken können. Es ist darum verhältnismäßig, bei hohem Infektionsgeschehen ihnen gegenüber weiterhin Schutzmaßnahmen gelten zu lassen.

Wenn aber die Infektionszahlen weiter so rasant sinken, werden die Beschränkungen bald allen gegenüber gelockert, weil die Infektionsgefahr dann auch für Nicht-Geimpfte nicht mehr so groß ist. Schleswig-Holstein z.B. hat bereits angekündigt aufgrund der niedrigen Zahlen Mitte Mai alle Geschäfte, Hotels und Restaurants zu öffnen. Wer nicht geimpft ist, muss dann zunächst einmal – bis die Pandemie vollständig bekämpft ist – ggf. einen negativen Test vorweisen. Das ist aber zumutbar.

 

Warum haben wir nicht mit der Aufhebung der Beschränkungen gewartet, bis jeder ein Impfangebot bekommen hat?

Jeder einzelne Grundrechtseingriff muss verhältnismäßig sein. Ist er es nicht mehr – weil z.B. wie hier keine Gefahr mehr von einer geimpften Person ausgeht – muss er aufgehoben werden. Damit können wir nicht warten, bis jeder ein Impfangebot bekommen hat, weil sonst das Bundesverfassungsgericht vor uns entscheiden würde.

 

Von jüngeren Menschen wurde im vergangenen Jahr Solidarität gefordert im Kampf gegen Corona für Menschen mit höherem Erkrankungs-Risiko. Warum wird von denen umgekehrt nun keine Solidarität gefordert?

Die Solidarität wurde gefordert, da die Einhaltung der Corona-Maßnahmen durch ALLE notwendig war, um das Infektionsgeschehen einzudämmen und hierdurch besonders die vulnerable Gruppe vor Infektionen und schweren Verläufen zu schützen. Da jeder einzelne ein potenzieller Pandemietreiber sein konnte, mussten alle solidarisch sein. Die Situation jetzt ist aber anders, weil von den Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht. Wenn sie weiterhin zuhause sitzen bleiben würden, würde dies den Nicht-Geimpften nicht mehr Schutz geben. Es hilft lediglich gegen den Neid in der Gesellschaft. Dieser muss für die wenigen Wochen, über die wir nun sprechen, ertragen werden.

 

Wenn von Geimpften und Genesenen keine Gefahr mehr ausgeht, warum dürfen dann nicht auch Hotels, Restaurants oder Theater für diese Personengruppe öffnen?

Trotz der ermutigenden Entwicklung der Infektionszahlen in den vergangen ist das Infektionsgeschehen in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch bedrohlich. In vielen Landkreisen müssen die Maßnahmen der Bundesnotbremse zur Anwendung kommen. Diese Maßnahmen und der Impffortschritt ebnen den Weg aus der Pandemie. Dieser Weg darf in der aktuellen Situation nicht gefährdet werden. Eine Gefahr ergäbe sich aber, wenn durch vorzeitige Lockerungen nicht vollständig vermieden werden kann, dass Menschen mit einem Infektionsrisiko aufeinandertreffen.